Die Überraschung in allen Teilen der Bevölkerung war sehr groß, als der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Dieter Reiter (SPD), das Referat für Stadtplanung und Bauordnung am 21. Februar 2017 damit beauftragte, dem Stadtrat den Einleitungsbeschluss zu Vorbereitenden Untersuchungen einer Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) im Münchener Norden vorzulegen. Diese umfasst mit fast 900ha den gesamten Bereich zwischen der Dachauer Straße im Westen, der Lerchenau im Osten, Bundesautobahn A99 im Norden (teilweise darüber hinaus) und der Fasanerie bzw. dem Rangierbahnhof im Süden. Als einzige Fläche in diesem Areal ausgenommen ist die bereits bebaute Fläche von Feldmoching. Damit ist sie die bei weitem größte SEM, die es je in München gab, vermutlich auch die größte in Deutschland. Um einmal die Größenverhältnisse vor Augen zu führen: der Englische Garten hat 375 ha, das heißt, er würde 2,4 Mal in die Fläche der SEM München Nord passen.
Das Ziel der SEM ist die Schaffung von Wohnraum und Gewerbeflächen, denn die Landeshauptstadt München platzt aus allen Nähten. Der Münchener Norden könnte so die Heimat von etwa 50.000 – 60.000 neuen Mitbürgern und der Arbeitsplatz für 15.000 Menschen werden, rechnet man die avisierten ca. 30.000 Einwohner und 10.000 Arbeitsplätze der SEM im Münchener Nordosten (Daglfing, Johanneskirchen, ca. 600ha) hoch auf die Fläche der SEM München Nord. Diese ist vermutlich noch am ehesten vergleichbar. Darüber hinaus sollen Grünflächen und Erholungsgebiete für die Bürger geschaffen werden, was jedoch eine Farce ist, bedenkt man, dass es sich bei den genannten Flächen größtenteils um landwirtschaftliche Nutzflächen und Erholungsgebiete handelt, darunter der gesamte Feldmochinger See und der Fasaneriesee mit sämtlichen Grünanlagen drumherum. Außerdem sei bei den Arbeitsplätzen erwähnt, dass die Verwaltung nur die Flächen schafft, die Arbeitsplätze selbst muss zum Großteil die private Wirtschaft schaffen, die dies jedoch konjunkturabhängig tut.
Gleichzeitig mit der Ankündigung wurden die Grundstückspreise aller betroffenen Flächen eingefroren, um Grundstücksspekulationen zu vermeiden. Klar ist jedoch, dass irgendwann irgendjemand den Unterschied der Preise zwischen landwirtschaftlicher Nutzfläche, Bauerwartungsland oder Baugrundstück als Gewinn einstreichen wird. Es fragt sich nur wer. Die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme ermöglicht der Landeshauptstadt München auch eine gewisse Kontrolle über die Veräußerung der Grundstücke, bis hin zu einem Vorkaufsrecht und sogar die Möglichkeit der Enteignung besteht. Dadurch nimmt man den Landwirten der Region die Möglichkeit selbst untereinander Flächen zu verkaufen oder auch nur zu tauschen, bzw. entzieht Ihnen die Lebensgrundlage. Die Landwirtschaft in unserem Stadtbezirk versorgt die Stadt München mit Lebensmitteln, es ist die größte landwirtschaftliche Fläche im Stadtgebiet Münchens und essentiell, wenn es um die lokale Versorgung mit frischem Gemüse geht.
Die Zahlen über den Bevölkerungszuzug beinhalten noch nicht einmal die Zuzügler, mit denen wir im Münchener Norden sowieso rechnen müssen. Durch die Baugebiete Ratold-/Raheinstraße, Hochmuttinger Straße, Bergwachtstraße (Lerchenauer Feld) und im Eggarten kommen bereits geschätzte 20.000 zusätzliche Einwohner in den Münchener Norden, die „normale“ Nachverdichtung ist da noch gar nicht mitgerechnet.
München ist schon heute die am dichtesten besiedelte Stadt in Deutschland. Um zu veranschaulichen, wie dicht München bebaut ist, kann man in Gedanken die Einwohner der Städte Stuttgart und Frankfurt nach Hamburg umziehen lassen. Dann wäre Hamburg noch immer weniger dicht besiedelt als München.
Eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme beinhaltet jedoch nicht nur die Schaffung von Wohnraum und Gewerbeflächen, sondern auch die der dazugehörigen Infrastruktur. So könnte es zukünftig leichter sein, Einrichtungen wie Supermärkte etc. anzusiedeln. Auch ein Gymnasium fehlt noch immer im 24. Stadtbezirk. Und auch Verkehrsprojekte könnten schneller realisiert werden. Allerdings ist hier zu bedenken, dass ein Großteil der zukünftigen Bewohner dieses Bereichs morgens in die Stadt fahren wollen und das über bestehende Infrastruktur, die Ein- und Ausfallstraßen wie die Dachauer Straße, die Feldmochinger Straße und die Lerchenauer Straße, und die U‑Bahnlinie U2 ab Feldmoching und die S‑Bahnlinie S1 ab Feldmoching oder Fasanerie. Diese Verkehrsmittel sind jedoch bereits heute stark beansprucht und wenigstens zeitweise überlastet. Hier böte sich die Möglichkeit endlich die Tieferlegung und den Ausbau der S‑Bahntrasse auf vier Gleise zu forcieren, um den Takt erhöhen zu können. Eine Tieferlegung wurde auch für die Trasse der S8 durch Johanneskirchen im Zuge der SEM Nordost beschlossen. Weitere Möglichkeiten, die Infrastruktur zu verbessern wären die Verlängerungen der U‑Bahnlinien U1, U2 und U3.
Das Thema Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme wird die Interessengemeinschaft Fasanerie e.V. wohl noch über die nächsten Jahrzehnte beschäftigen, inklusive der nachfolgenden Generation(en).
Nachdem einige Bürgervereine und ‑initiativen bereits einzeln gegen die SEM gekämpft hatten, schlossen sich die Aktionsgemeinschaft „Rettet den Münchener Norden!“ e.V., der Bürgerverein Lerchenau e.V., die Initiative Heimatboden München und die Interessengemeinschaft Fasanerie aktiv e.V. am 29. Juni 2017 zum Übergreifenden Bündnis München Nord zusammen, dazu kamen noch der Eigenheimerverein Feldmoching e.V. und das Bündnis Gartenstadt.
Am 5. Juni 2018 rückte der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) schließlich von seinem Plan der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) München Nord ab. Es war abzusehen, dass es bei einer Abstimmung im Stadtrat nicht zu einer Mehrheit für die Entwicklungsmaßnahme gekommen wäre. Dieser Niederlage wollte er zuvorkommen und rief stattdessen zur Kooperativen Stadtentwicklung auf, dies allerdings ohne vorher den Vorstand seiner Partei oder seine Fraktion zu informieren, was dort zu großem Unmut führte. Dadurch sind die drohenden Enteignungen vom Tisch, aber der Plan für die Bebauung des Münchener Nordens besteht weiter, weshalb auch das Übergreifende Bündnis München Nord weiterarbeiten wird.
- Leiter der SEM-Gruppe ist Dirk Höpner. Treten Sie mit Dirk Höpner in Kontakt
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